Rede ZP 8/9: Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes

Dr. Nina Scheer (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz einen Passus aus dem Gesetzentwurf vorlesen:
Die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollen darauf vertrauen können,

– Herr Middelberg, ich bitte Sie, kurz zuzuhören –

dass der Abwehrschirm mit ausreichenden finanziellen Ressourcen ausgestattet ist.

(Dr. Michael Espendiller (AfD): „Sollen“ ist ein gutes Wort!)

Dieses Vertrauen wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern offenbar nicht geben, weil Sie gerade grundsätzlich abgelehnt haben, diesem Programm zuzustimmen. Offenbar sehen Sie nicht ein, dass dieses Volumen erforderlich ist, um genau dieses Vertrauen zu geben. Ich finde es in höchstem Maße irritierend, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern in diesen Zeiten ein solches Vertrauen nicht geben wollen. Das möchte ich hier mal festhalten. Die CDU/CSU ist dazu nicht bereit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thorsten Frei (CDU/CSU): Wir vertrauen Ihnen nicht, Frau Scheer, wenn Sie es mit dem Gaspreisdeckel so machen wie mit der Gasumlage!)

Genau beim Vertrauen setzt dieses Gesetz an. Wir brauchen dieses Gesetz, um den Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit 200 Milliarden Euro auszustatten und damit zu ermöglichen, dass Hilfen durch auszugestaltende Programme auch wirklich umgesetzt werden. Insofern ist es auch falsch, wie es vom rechten Rand im Parlament hier unterstellt wird, dass hier quasi eine Selbstentmachtung des Parlaments stattfindet. Nein, das ist nicht so. Die Zurverfügungstellung dieser 200 Milliarden Euro erfolgt auf grundgesetzlich fundierter Basis. Wir alle wissen nicht, wie schnell wir uns von den Abhängigkeiten von Russland befreien können, auch wenn wir da auf einem guten Weg sind. Wir wissen nicht, wie weit die Krise, die auf dem fossilen Energiemarkt entstanden ist, auch weiterhin finanzielle Unterstützung erfordert.

Genau da setzen wir verantwortungsbewusst an. Wir wollen Vertrauen in die Handlungsfähigkeit stabilisieren. Deswegen ist es erforderlich, dass wir den Wirtschaftsstabilisierungsfonds entsprechend ausstatten, und man kann nur an alle appellieren, das nicht infrage zu stellen.

(Dr. Michael Espendiller (AfD): Die Verordnung liegt ja noch nicht vor! Natürlich müssen wir wissen, was da drinsteht!)
Damit sind Sie nur Nährbodenbereiter für Angst, und Angst ist genau das, was ausgenutzt wird, um unsere parlamentarische Demokratie auszuhöhlen. Wenn Sie diese Angst weiter schüren, statt sie einzugrenzen, begeben Sie sich in sehr schlechte Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Thorsten Frei (CDU/CSU): Sprechen Sie mal nicht über Demokratie! Das ist ja abenteuerlich, was Sie hier sagen! – Gegenruf des Abg. Michael Schrodi (SPD): Getroffene Hunde bellen!)

Wir sind in einer ernsten Situation, die verlangt, dass wir auch einmal über den Teich blicken und schauen, was andere Staaten und Kontinente machen. In den USA gibt es zum Beispiel den Inflation Reduction Act. Mit diesem wird auf die Inflation reagiert.

(Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Die nutzen aber eben alle Energiequellen! Gucken Sie doch mal über den Teich, welche Energiequellen da genutzt werden! Alles das, was Sie abschalten wollen!)

Es wird auf die Krise reagiert. Es wird darauf reagiert, dass wir eine Klimakrise haben, und es wird massiv investiert. Wenn wir nicht aufpassen, dann kann diese sinnvolle Maßnahme, die die USA ergreifen, dazu führen, dass wir in Europa – durch die steigende Inflation aufgrund der fossilen Energiepreiskrise – verstärkt Schwierigkeiten bekommen, auch im Hinblick auf Investitionen in erneuerbare Energien, im Hinblick auf den Transformationsprozess, in dem wir uns befinden. Deswegen ist es dringend nötig, dass wir weitere Stabilisierungsmaßnahmen – wir haben ja schon gehandelt – auf den Weg bringen, die kräftig genug sind, um die fortschreitende Inflation einzudämmen. Man muss man bei den Energiepreisen in Form von Gas- und Strompreisbremse ansetzen, damit die Inflation gestoppt wird, damit wieder investiert werden kann, damit auch massiv in die Transformation investiert werden kann. Sonst droht uns tatsächlich Abwanderung in Länder, die jetzt Booster einsetzen, um den Transformationsprozess zu beschleunigen. Wir müssen mit den Bemühungen, die an anderer Stelle stattfinden, gleichauf bleiben, damit wir in Deutschland und Europa wirtschaftlich nicht benachteiligt sind.

Deutschland ist ein hochtechnologisiertes Land, eine Industrienation. Wir wollen das bleiben – mit Europa und in Europa. Das heißt: Wir brauchen im Transformationsprozess massive Investitionen in erneuerbare Energien. Wenn Sie vonseiten der Union immer wieder versuchen, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen, indem Sie sagen, dass Atomenergie die Lösung sei, dann möchte ich erklärtermaßen dagegensetzen, dass die drei verbleibenden Atomkraftwerke – und nur die beiden im Süden Deutschlands hat der Stresstest identifiziert –

(Thorsten Frei (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

einen minimalen Beitrag zur Verhinderung des allergrößten Worst Case leisten könnten.

Wir haben gerade erst vor zwei Wochen im Deutschen Bundestag einen Erneuerbare-Energien-Booster beschlossen,

(Thorsten Frei (CDU/CSU): 10 Millionen Haushalte! 12 Prozent höhere Preise! – Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Das ist skandalös! Ihr Vortrag ist skandalös! Völlig verantwortungslos!)

der übrigens noch nicht vom Stresstest berücksichtigt werden konnte.

(Thorsten Frei (CDU/CSU): Alles Sand in die Augen der Menschen!)

Wir haben eine verstärkte Auslastung von Bioenergie, die Ausweitung der Nutzung von Windenergie und Photovoltaik sowie Repowering und dergleichen beschlossen. Insofern: Versuchen Sie nicht, hier Nebelkerzen zu werfen.

(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Die werfen Sie doch von morgens bis abends!)

Die Energiewende ist der Weg, um diese Krise zu bewältigen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und hierfür brauchen wir den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Die Fragezeichen, die Sie hier setzen, führen zu Destabilisierung und sind nichts anderes als Angstmacherei. Das ist unverantwortlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei (CDU/CSU): Frau Scheer, das hat uns nicht überzeugt!)

Zur Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestages