Politische Bildung innerhalb und außerhalb der Schule ist eine wesentliche Voraussetzung für Demokratie

Tobias von Pein: Ich danke zunächst unserem Landesbeauftragten, Herrn Dr. Meyer-Heidemann, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den gehaltvollen Bericht, der uns bereits seit weit über einem Jahr vorliegt.

Tobias von Pein Bild: Foto: Michael August

Rede aus dem Landtag

TOP 34+35: Bericht zur Stärkung der politischen Bildung in der Schule und Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung (Drs. 19/1739(neu), 19/3370, 19/2461, 19/3371)

„Ich danke zunächst unserem Landesbeauftragten, Herrn Dr. Meyer-Heidemann, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den gehaltvollen Bericht, der uns bereits seit weit über einem Jahr vorliegt. Dieser frühe Termin bedeutet natürlich auch, dass der Bericht zwar die wachsende Bedeutung der digitalen Angebote hervorhebt, aber die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die verschiedenen Felder der politischen Bildung noch nicht abbilden konnte.

Es hat sich in letzter Zeit immer wieder gezeigt, dass Polizei und Bundeswehr eine fatale Anziehungskraft auf Menschen mit autoritärem und nationalistischem Weltbild haben. Gerade in diesen Bereichen können Rechtsextremisten, Rechtspopulisten, Antisemiten und Verschwörungstheoretiker besonderen Schaden anrichten. Es ist deshalb besonders wichtig, dass der Landesbeauftragte dieses Problem bereits vor anderthalb Jahren angesprochen hat.
Corona ist ein fruchtbarer Nährboden für Verschwörungstheoretiker aller Art. Die meisten Menschen, die sich in dieser Szene verankert haben, werden wir mit rationaler Argumentation nicht mehr erreichen können, aber wir müssen verhindern, dass es mehr werden. Die Absurdität, sich über staatliche Eingriffe in den persönlichen Lebensbereich zu beschweren und gleichzeitig mit Leuten zu demonstrieren, in deren Gesellschaftsmodell es so etwas wie einen persönlichen Lebensbereich, der von staatlichen Eingriffen frei bliebe, nicht mehr geben würde, können wir nicht auflösen.

Erziehung zur Teilhabe ist das A und O. Dieser Auftrag gilt den Schulen ebenso wie den Familien. Wir haben in der Vergangenheit das Wahlrecht gesenkt, und alle Demokraten sollten im nächsten Frühjahr dafür werben, dass dieses Wahlrecht auch in der untersten Altersgruppe wahrgenommen wird. Unter den Handlungsempfehlungen des Landesbeauftragten nimmt die Stärkung des Schulfaches Wirtschaft/Politik den ersten Platz ein. Dazu hatten der SSW und wir einen Antrag vorgelegt, über den wir schon vor zwei Jahren ausführlich debattiert und im Bildungsausschuss darüber ein mündliches Fachgespräch durchgeführt haben.
Die Konsequenz, die die Jamaika-Koalition aus diesen Diskussionen gezogen hat, war, unseren Antrag abzulehnen. Sie haben es bei diesem Thema nicht einmal geschafft, einen Änderungs- oder Alternativantrag zu stellen und zu verabschieden, der das Mindestmaß an Wertschätzung für diejenigen gewesen wäre, die uns in der Anhörung mit ihrem Expertenwissen zur Verfügung gestanden haben.

Es ist zwischen allen demokratischen Fraktionen unstrittig, dass politische Bildung innerhalb und außerhalb der Schule eine wesentliche Voraussetzung für die Demokratie ist. Es ist auch unstrittig, dass die politische Bildung in der Schule nur einer der Kanäle ist, mit denen sich Menschen politisch bilden können. Aber die politische Bildung in der Schule hat einen höheren Verbindlichkeitsgrad als alle anderen dieser Kanäle. Man kann sowohl bei den traditionellen Medien wie Presse und Fernsehen als auch bei den neuen Medien politische Bildungsinhalte konsequent ausblenden. Man ist dann weiterhin wahlberechtigt, aber auf welcher Grundlage dann eine rationale Wahlentscheidung getroffen werden kann, bleibt das Geheimnis von Politikverweigerern. So ein Ausblenden funktioniert in der Schule nicht so gut. Wenn man im Unterricht 45 Minuten auf Durchzug schaltet, rächt sich das spätestens im Zeugnis.

Das Gespräch im Ausschuss sehen wir als Bestätigung unseres Antrages. Wir bleiben dabei, dass das Fach Wirtschaft/Politik so in den Kontingentstundentafeln verankert sein muss, dass es nicht abgewählt werden kann und dass die lehrerbildenden Universitäten genügend Ausbildungskapazitäten für Lehramtsstudierende zur Verfügung stellen, die dieses Fach unterrichten sollen und wollen. Bei der Einstellung in den Vorbereitungsdienst muss das Fach Wirtschaft/Politik erneut als Mangelfach eingestuft werden. Gerade weil wir der Auffassung sind, dass die Schulen noch nicht das Maximum leisten und leisten können, was im Bereich der politischen Bildung erforderlich ist, würdigen wir umso mehr das Engagement aller übrigen Einrichtungen und Initiativen, die sich, von ganz unterschiedlichen Sichtweisen aus, um die politische Bildung verdient machen. Und angesichts der dramatischen Entwicklungen der letzten Jahre gilt mein besonderer Respekt denen, die auch um den Preis von Anfeindungen und Bedrohungen die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus Tag für Tag führen.“